PRÄZISIONSGARTENBAU
Im Dauerversuch TECHNOLOGY GARDEN soll die
räumlich-zeitlich aufgelöste Abbildung von physiologischen Pflanzenzuständen
mit in situ Analysen dargestellt werden.
Ziele sind:
1.
Charakterisierung
der räumlich-zeitlich aufgelösten Verteilung von Boden-, mikroklimatischen und
Pflanzenparametern
2.
Modellierung
der Einflussnahme von Umgebungsfaktoren auf Wasserbilanz und Pflanzenleistung
unter besonderer Berücksichtigung der Fruchtentwicklung, qualitätgebenden
Eigenschaften und Ertrag
3.
Optimierung
der Prozessparameter unter Berücksichtigung der Pflanzendaten, wobei die
Bewässerungsregelung einen Schwerpunkt bildet
Hintergrund:
Der Begriff Präzisionsgartenbau lehnt sich an die aus dem Ackerbau bekannten Bezeichnungen
für Präzisionslandwirtschaft, lokales Ressourcenmanagement,
teilflächenspezifische Bewirtschaftung an. Mit all diesen Begriffen ist
weitgehend das gleiche Konzept gemeint: Es werden – bevorzugt durch Sensoren –
räumlich differenziertere Daten über Pflanze und Boden gewonnen, welche es
ermöglichen, an den Zustand von Boden und Pflanzen angepasste Bewirtschaftungsmaßnahmen zu ergreifen.
Damit lassen sich nicht nur Betriebsmittel wie Dünger, Pflanzenschutzmittel,
Kraftstoff einsparen sondern auch höhere Produktqualitäten erreichen. Das
Konzept ist grundsätzlich auf den Gartenbau übertragbar, wobei Fragestellungen
diskutiert werden wie: Reifebestimmung am Ernteprodukt, in-situ Analyse des Ernteproduktes und Ertragsprognosen,
Qualitätskontrolle, Festlegung der teilflächenspezifischen
Ausbringungsintensität bei Boden- und Überkronendüngung, Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln. Für gartenbauliche Anwendungen mit räumlich
differenzierter Bewirtschaftung sind jedoch bislang kaum passende
zerstörungsfreie Sensoren und Algorithmen für deren Einbindung in die
Produktionsprozesse verfügbar, so dass für die spezifischen Einsatzbedingungen
und zu detektierenden Merkmale derzeit eigenständige Lösungen in Zusammenarbeit
von Grundlagenforschung und Wirtschaftsunternehmen entstehen. International
wurden bereits Ansätze zur Kartierung von Bodendaten sowie Stressdetektion
basierend auf den spektralen Reflexionseigenschaften der Blattflächen in der
Citrusproduktion und im Weinbau beschrieben [9, 11, 12].
Als Beispiel für den sensorbasierten
Präzisionsgartenbau soll hier eine Pflaumenanlage im Werderaner Anbaugebiet
dienen [10, 13, 14, 15]. Zur Erfassung der raum-zeitlichen Variabilität wurden
zerstörungsfrei aufgezeichneten spektroskopischen Fruchtdaten [1, 2, 18] mit
geophysikalischen Bodenparametern kombiniert. Die Charakterisierung der
Bodenvariabilität erfolgte durch eine geoelektrische Kartierung des scheinbaren
elektrischen Widerstands des Bodens ERa in [Ω∙m]. Der ERa ist auf
anhydormorphen Mineralböden meist eng mit der Textur korreliert, welche
wiederum andere wesentliche Bodeneigenschaften wie Wasserretention und
Kationenaustauschkapazität beeinflusst [3, 4, 5]. Zur Abbildung des zeitlichen
Verlaufs der Fruchtentwicklung während der Wachstumsperiode wurden spektrale
Messungen durchgeführt. Im sichtbaren Wellenlängenbereich von 400 nm – 750 nm
absorbieren vorrangig die Pigmentgruppen der Anthocyane, Karotinoide und
Chlorophylle. Die Anthocyane bilden beim Apfel die rote Deckfarbe, während der
Chlorophyllgehalt die grüne Grundfarbe der Früchte ausmacht. Die einzelnen
Pigmente werden separat an ihren spezifischen Absorptionswellenlängen gemessen.
Letzteres ist ein großer Vorteil gegenüber Farbmessungen oder der visuellen
Begutachtung, da das Chlorophyll auch bei starker Deckfarbenausprägung noch
spektral bestimmt werden kann. Die Erfassung des Fruchtchlorophyllgehaltes
mittels des zerstörungsfrei messbaren NDVI ist mit geringer Messungenauigkeit
möglich. Die Abnahme des Chlorophyllgehaltes im Verlauf des Fruchtwachstums ist
eng korreliert mit der Fruchtreifung [15, 16], so dass mit Hilfe der
zerstörungsfrei aufgezeichneten Werte die Fruchtentwicklung am Baum verfolgt
werden kann [17]. Abbildung 1 dokumentiert die räumliche Verteilung von Boden-
und Fruchteigenschaften. Anhand des NDVI sind die Reifeunterschiede der Sorten
gut erkennbar (vier Reihen Pinova im Südwesten, vier Reihen Elstar im
Nordosten). Innerhalb der Sortenareale zeichnen sich jedoch kaum räumliche
Muster des NDVI ab, so dass von einer weitgehend zufälligen räumlichen
Verteilung der Reifeentwicklung ausgegangen werden muss. Dagegen zeigt die
ERa-Karte eine deutliche räumliche Strukturierung der Bodendecke in eine
Teilfläche mit höherem Ton- und Wassergehalt im Nordwesten und einer Teilfläche
mit sandig-trockenem Boden im Südosten. Zwischen dem NDVI und dem ERa bzw. dem
daraus abgeleiteten Wassergehalt besteht nur eine geringe Korrelation.
Allerdings wurden enge Beziehungen zwischen ERa und Blattfläche, Fruchtertrag
sowie anderen Eigenschaften festgestellt die beispielsweise zur Festlegung der
Ausdünnungsintensität genutzt werden können. Anhand dieser Untersuchungen wird
deutlich, dass für ortspezifisches Monitoring und Management von intensiv
bewirtschafteten Dauerkulturen spezifische Ansätze gefunden werden müssen. Dies
gilt insbesondere im Hinblick auf die hohe raum-zeitliche Variabilität der
Ernteprodukte.
Untersuchungen in den USA zeigten, dass
auch bei Zitrusfrüchten die spektral-optische Fruchtmessung im nahinfraroten
Wellenlängenbereich zur Bestimmung der löslichen Trockensubstanz [°Brix] nach
dem gleichen Verfahren genutzt werden kann [7, 8, 12]. Die Bestimmung der
löslichen Trockensubstanz erlaubt bei den nicht-klimakterischen Produkten die
Bestimmung des optimalen Erntetermins, sodass aus den Messungen unmittelbar
Handlungsempfehlungen für den Produzenten abgeleitet werden können [19].
Teilflächenspezifische Informationen zur
Fruchtentwicklung könnten somit zukünftig helfen, Maßnahmen zur
Qualitätserzeugung durchzuführen und eine Ernteterminbestimmung für einzelne
Standorte zu unterstützen. Weiterhin bieten sich mit diesem Ansatz
Möglichkeiten neue Sorten für einen Standort zu bewerten. Der Kartierungsansatz erlaubt komplexe
Auswertungen einer Vielzahl unterschiedlicher Datenquellen, z.B. die Kombination
von Bodenkarten, digitalen Geländemodellen und Ertragskarten. Der
Präzisionsgartenbau steht dabei erst am Anfang einer vielversprechenden
Entwicklung.
Abb. 1: Bodenkarte aus Marquardt
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NIRS as a tool for precision horticulture in the citrus industry. Journal Biosystems Engineering 99 (3): 455-459
Aktuelle Kooperationen
-
Beuth Hochschule
für Technik Berlin
-
Deutsches Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR)
-
Universität Potsdam
Laufende Projekte
Pflaumenanlage:
2009-2012
„Phytomonitoring zur präzisen Prozesssteuerung und -bewertung in Gewächshäusern
(Phytocontrol)“ im Rahmen des Forschungsverbundes „Zukunftsinitiative
Niedrigenergie-Gewächshaus“ (ZINEG). Deutsche
Rentenbank (Z 20035/12)
2011-2013
„3D-Mosaic – Advanced Monitoring of Tree Crops for Optimized Management - How
to Cope With Variability in Soil and Plant Properties?” (FP7, ERANET ICT-AGRI 95 –Zude; 2810ERA095)
2013-2017
“USER-PA - USability of Environmentally sound and Reliable techniques in
precision agriculture” (FP7, ERANET ICT-AGRI –Zude; 2812ERA038)
2014-2017
„SmaArt – Sensorgestützte mechanische und adaptive Blüten-Ausdünnung in der
Obstproduktion“ (BLE/Deutsche Rentenbank – Deutsche Innovationspartnerschaft,
DIP, Z20128-1)
Apfelanlage:
2018-2020
„Agricultural Low Cost Integral System - Integration von Satellitendaten und
Nahbereichsmessungen in der Obstanlage zur Wasserbilanzierung unter
Berücksichtigung von Ertragsparametern / - using remote and ground measurements
for adaptive irrigation management (ALCIS)” (FP7, ERANET ICT-AGRI
–Drastig/Zare)
2016-2020
“PRIMEFRUIT - Entwicklung eines Bewertungsverfahrens zur Ertragskapazität bei
Kern- und Steinobst mit dem Ziel den optimalen Fruchtbehang zu bestimmen”
(Europäische Innovationspartnerschaft, EIP, ILB)
2016-2021
“AquaC+ - Entwicklung eines internetgestützten Informations- und Beratungssystems
zur Erhöhung der Wassernutzungseffizienz im Obstbau” (Europäische
Innovationspartnerschaft, EIP, ILB)
2018-2022
ALLOM - Allometric model of fruit trees based on LiDAR analysis (Bangladesh
Agricultural Research Institute, Bangladesch)
2021-2023
“SpectroFood - Agrifood quality estimation using spectral techniques /
Spektraloptische Verfahren zur Schätzung der Produktqualität entlang der
Versorgungskette” (BLE/H2020)
2020-2024
“Sheet - Sunburn and HEat prediction in canopies for Evolving a warning Tech
solution / Prognose von Sonnenbrand- und Hitzeschäden im Obstbau” (BLE/H2020)
2021-2024
“Irriwell - A novel plant-based approach to estimate irrigation water needs and
apply optimal deficit strategy / Einbindung von Fernerkundungs- und
Nahbereichsdaten in ein mechanistisches, pflanzenphysiologisches Model zur
Bewässerungssteuerung im Obstbau, Teilprojekt: Referenzdatenerfassung,
Kalibrierung und Einbindung von Sensordaten in physiologische Modelle (PRIMA –
RIA)
Transfer und gemeinsam Entwicklungen (Wissen und Technik)
-
Erzeuger
(Obstbaubetriebe)
-
Obstbauberater
-
Obstbauverbände
-
Dienstleister,
Maschinenringe
-
Politik und
Verwaltung
-
Landtechnikindustrie
-
Züchter
-
Agrarchemische Industrie
-
Handel
-
Qualitätsmanager
-
Verbraucher
-
Aus- und
Fortbildung für Schüler, Studenten, Praktiker und Wissenschaftler aus
Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländern
-
Standardisierung
und Referenzdaten (KTBL, VDI)
Standortbeschreibung:
Geologie und Boden
- Höhe über NN: 42 m
- Geologische Herkunft: Diluvium
- Hauptbodenform im Unterboden: Geschiebemergel
- Bodenart der Krume: anlehmiger Sand (alS)
- Lage: eben, leicht hängig - Bodenwertzahl: 30 – 34
- Mittlere Jahrestemperatur: 8,3° C
- Jahresniederschläge: 527 mm (im 30- jähr.Mittel)
- Absolutes Temperaturminimum:
- 26,8° C (11.02.1929)
- Absolutes Temperaturmaximum: 39,9° C (16.07.2007)